Das Bootshaus des RCGB
Seit seiner Fertigstellung im Jahr 1925 ist das Bootshaus in der Rheinallee 6 Dreh-und Angelpunkt und stiller Zeuge sämtlicher Ereignisse des Clubs. Einzig die ersten drei Jahre Rudertätigkeit fanden noch auf Höhe der Sandbank zwischen Eisbrech und Hotel Rheinlust statt, wo der Club einen kleinen Holzschuppen gemietet hatte.1 Als dieser Pachtvertrag 1924 wegen Eigenbedarfs auslief, es jedoch ohnehin schon zu Platzproblemen bei der Unterbringung von Booten und übernachtenden Wanderruderern gekommen war, musste sich der Verein nach Alternativen umsehen.2
Zu unserem heutigen Glück entschied sich dieser für eine langfristige Lösung – den Kauf eines clubeigenen Grundstücks und den Bau eines Bootshauses, dessen wichtigsten Entwicklungsphasen im Folgenden ein Beitrag gewidmet sein soll:
Am Anfang stand der Verkauf der Mainzer Straße 18, einer Villen-Doppelhaushälfte mitsamt bis zur Rheinallee reichendem Grundstück, welche der Kaufmann und RCGB-Vorstandsbeisitzer Heinrich Maaßen im Juni 1924 von der Witwe Lina Kress erwarb. Maaßen wiederum teilte das Grundstück und veräußerte die rheinseitige Gartenfläche an den RCGB. Damit nahm er das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Clubs auf sich, wozu wohl keine Bank bereit gewesen wäre.4 Dieses große Entgegenkommen lässt sich nur mit dem Wissen verstehen, dass Heinrich (Jg. 1876) und sein Sohn Josef (Jg. 1902) überaus engagierte Gründungsmitglieder waren und den Aufbau eines Ruderclubs in Boppard als Herzensanliegen ansahen.5 Mit den Kaufverhandlungen hatte der RCGB offenbar schon einige Monate früher begonnen, denn der Verein beauftragte im Frühjahr 1924 die Bopparder Firma Kraus & Genius (Angertstraße 4)6 mit der Planung eines Gebäudes auf dem entsprechenden Grundstück und der Bauleitung; die fertigen Bauunterlagen gingen hierzu am 30.4.1924 bei der Bürgermeisterei ein. Nach der Grundsteinlegung am 7.7.1924 wurde das Bootshaus unter großem Arbeitseinsatz der Vereinsmitglieder errichtet, sodass der Rohbau am 3.2.1925 abgenommen werden konnte.7
Es ist dabei einer Ausnahmegenehmigung des damaligen Landrates zu verdanken, dass auf den vorgeschriebenen Mindestabstand von 2,50 Metern zu beiden Nachbargrundstücksgrenzen verzichtet und das Gebäude überhaupt in diesen Ausmaßen gebaut werden durfte.8 Ferner wurde in Abweichung zum Bauplan die Bootshalle mit deutlich größerer Entfernung (gut 18 statt 6 Metern) zur Rheinallee errichtet, was dem Außenbereich und den Terrassen erst die heutige Nutzbarkeit erlaubt.
Nach außen erinnerte die ursprüngliche Halle gewissermaßen an eine Feuerwache, denn abgesehen von einer Haustür wurde die Halle durch zwei breite, doppelflügelige und durchfensterte Tore erschlossen – und zwar nicht nur in Richtung Rheinallee, sondern auch zur hinter dem Gebäude liegenden Freifläche, auf der später die Anbauten für die Werkstatt, Umkleiden und Toiletten entstanden. Hatte in den Vorjahren noch Platzmangel geherrscht, muss man sich im Inneren des neuen Bootshaus – einem schlicht verputzten Massivbau auf rechteckigem Grundriss mit dominantem Satteldach und durchfensterten Giebelseiten – anfangs etwas verloren vorgekommen sein:9
Bei 13,20 Metern Breite und 20 Metern Länge, einer Traufhöhe von 3,10 Metern und einer Firsthöhe von 8,80 Metern ergab sich der Eindruck eines großen Saales mit einer Fläche von 264 Quadratmetern, wohlgemerkt noch mit dem natürlichem Erdbodenbelag, ohne jegliche Raumteilung und nur geringem Inventar.10 Hervorzuheben ist ferner die Hängewerkkonstruktion des Dachstuhls, an der heute mehrere Boote über Flaschenzugsysteme aufgehängt sind. Weil dadurch die Lasten des weit aufgespannten Daches auf die stärker ausgebildeten Wandpfeiler abgetragen werden, kann im Innenraum auf störende Stützen verzichtet werden.
Den Zweiten Weltkrieg überstand das Gebäude weitgehend folgenlos, allerdings hinterließ die Beschlagnahme der französischen Besatzer starke Schäden an der Einrichtung und dem Bootsbestand, welche der RCGB 1950 weitgehend behoben hatte.11 Es folgte 1952 der Ausbau der Umkleiden und Duschen, auch belegte man den nackten Hallenboden mit Betonplatten und lagerte die Boote fortan auf ausziehbaren Metallschienen anstatt auf Holzlatten.12 Den bis dahin kaum nennenswerten Clubraum vergrößerte der RCGB 1958, hierbei wurde das östliche Tor vermauert und durch eine weitere Haustür sowie ein zusätzliches Fenster ersetzt. 1963 entstand die Hausmeisterwohnung im Obergeschoss, deren Bewohner seither gegen vergünstigte Miete Aufgaben zugunsten des Clubs wahrnehmen.13 1967 erweiterte der Verein das Gebäude um einen rheinseitig vorspringenden Anbau für den Clubraum.14 1999 folgte der Bau der Küche, deren benachbarte Kammer ursprünglich einen Öltank beherbergen sollte, was sich jedoch durch die hochwasserschutzbedingte Umstellung auf Gasheizung und Verlegung des Brenners ins Obergeschoss erübrigte. An dieser Stelle nicht näher behandelt werden können all die vielen weiteren und fortlaufend vollzogenen Modernisierungsmaßnahmen, mit denen der Club auf die wechselnden Komfort- und Gestaltungsansprüche reagierte.
Die Häufigkeit, mit der das Bootshaus in den Protokollbüchern Thema ist, zeigt, dass Betrieb und Unterhalt eines Gebäudes Daueraufgaben sind, die in einem Verein jedoch auf vielen Schultern liegen. Nicht immer sind die Vorgänge so spektakulär wie 1983, als das konkrete Angebot eines Nachbarn im Raum stand, das Clubgelände aufzukaufen, dem RCGB zum Ersatz ein in etwa doppelt so großes Grundstück von der westlich benachbarten Kneipp-Gesellschaft zu schenken und dort auch das Gebäude wiederaufzubauen. Der Vorstand zeigte sich für den Vorschlag offen, jedoch verlief die Angelegenheit im Sande, da zwischen den anderen beiden Beteiligten kein Vertrag zustande kam.15 Doch auch an seinem vor 98 Jahren gewählten Standort verfügt der Ruderclub heute über ein Grundstück in bester Lage, welches beispielsweise die Stadt Boppard bei Delegationsbesuchen aus Partnerstädten gerne zur Nutzung anfragt. Es bestehen wenig Zweifel, dass die Vereinsmitglieder um diesen Wert wissen und sich auch die künftigen Generationen des RCGB nach Kräften für den Fortbestand ihrer Immobilie einsetzen werden.
1 Vgl. Ruderclub Germania Boppard (Hrsg.): Geschichte des Ruderclubs ‚Germania‘ Boppard e.V. 1922–1997, Boppard 1997 (=75-Jahr-Chronik), S. 14.
2 Vgl. LHA KO Best. 618 Nr. 2746: Gesuch des Ruderclub Germania Boppard an das Preußische Ministerium für Volkswohlfahrt mit der Bitte um finanzielle Unterstützung (Bezuschussung) aufgrund des Bootshausneubaus, 9.7.1925.
3 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 22; vgl. LHA KO Best. 618 Nr. 2746: Schreiben des RCGB an den Bürgermeister der Stadt Boppard vom 7.4.1927; vgl. LHA KO Best. 618 Nr. 3265: Planzeichnung zur Bauakte, 30.4.1924.
4 Tatsächlich hatte der Club bis ins Jahr 1960 mit der Bewältigung der Hypotheken- und Schuldenlast zu kämpfen (vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 73). Erschwert wurde dies u. a. durch die Krisenjahre der Weimarer Zeit und den Wehrdienst zahlreicher Vereinsmitglieder während des Zweiten Weltkriegs, wobei nicht verschwiegen werden sollte, dass dem Ruderclub zur Zeit des Nationalsozialismus seine Bedeutung für die Ideologie als Förderer der „körperlichen Jugendertüchtigung“ wohl dabei verhalf, staatliche Darlehen immer wieder zu stunden – vgl. LHA KO Best. 618 Nr. 2746: Schreiben des Bopparder Bürgermeisters an den Regierungspräsidenten in Koblenz, 19.6.1942; vgl. ebd., passim.
5 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 6–14; vgl. RCGB-Akte 27: Mitgliederliste von 1926.
6 Vgl. Schnegelbeger, Carl (Hrsg.): Rheingauer Adressbuch für die Jahre 1909, 1910, 1911, Wiesbaden, 7. Aufl. 1909, S. 115.
7 Vgl. LHA KO Best. 618 Nr. 3265; vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 22.
8 Vgl. LHA Ko Best. 618 Nr. 3265: Ausnahmegenehmigung des Landrates des Kreises St. Goar zu § 2 Ziffer 2 der (Bau-)Polizeiverordnung vom 21.3.1907, 6.6.1924.
9 Der Vereinsvorsitzende Kirchner kritisiert in einem Schreiben vom 13.04.1940 an das Sportbereichsamt die früheren Vorstände für die „Errichtung eines viel zu großen Bootshauses“, das für die damalige Schuldenlast des Vereins mitverantwortlich sei – vgl. RCGB-Akte 3.
10 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 63.
11 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 58, 60.
12 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 63.
13 Bewohner waren seither Peter und Marianne Rätz, Käthe und Georg Scholz, Lydia und Otto Höster, Fritz und Uschi Kohlbecher, Uta und Joachim Schwaderlapp sowie gegenwärtig Jutta Galeazzi mit Tochter Liza – vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 74.
14 Vgl. 75-Jahr-Chronik, S. 70, 72, 77.
15 Vgl. RCGB-Protokollbuch 1977–1991, S. 152, 161 f., 183.